Warum Inklusion und Integration keine zeitliche Befristung haben
Am 25.11.2024 war ich als Referentin zu Gast in der Stiftung Sankt Johannes und nehme aus meinem zweitägigen Besuch eine Vielzahl von Eindrücken mit, die mich auch in meiner künftigen Arbeit nachhaltig beeindruckt – und gleichzeitig zum Nachdenken gebracht haben.
Seit dem erlebten Skandal um die Seniorenresidenz Schliersee und meiner Buchveröffentlichung gemeinsam mit Bastian Klamke besteht mein „Motor“ nicht darin, die anhaltenden Schwierigkeiten durch Personalmangel und den demographischen Wandel aufzulisten, sondern lösungsorientiert aus Fehlern zu lernen und motiviert für und gemeinsam mit den KollegInnen – auch und erst Recht im Hier und Jetzt an der Zukunft einer guten Versorgung der KlientInnen unabhängig von Alter, Pflegebedarf oder Grad der Behinderung zu arbeiten.
Ohne Zweifel ist uns allen bewusst, dass größere Reformen und Veränderungen notwendig sind, insbesondere im Bereich der Pflege in nahezu allen Bereichen.
So bin ich viel unterwegs und im Gespräch mit KollegInnen, PolitikerInnen, PflegeklientInnen, Angehörigen und Medien – und das bleibt mir auch ein Herzensanliegen – schließlich geht uns dieses Thema ausnahmslos alle an.
Noch immer betrachten wir „Pflege“ oft zu defizitorientiert und auf einzelne Bereiche beschränkt, dabei ist in der ganzheitlichen Betrachtung so viel mehr interprofessionelle Zusammenarbeit nötig.
Und genau das habe ich in der Stiftung Sankt Johannes gesehen und in sehr konstruktiven Gesprächen mit dem Vorstand, der Mitarbeitervertretung und den KollegInnen erleben dürfen.
Bei den vielfältigen Angeboten der Stiftung für Menschen mit Behinderung aller Altersgruppen und tatsächlich gelebter Inklusion auf so vielen unterschiedlichen Ebenen, wurde in den so wertvollen Diskussionsrunden als Impuls deutlich, wie viel Potential in den Synergien zwischen Heilerziehungspflege und Altenpflege liegen kann. Aus meiner Sicht liegt hier eine große Ressource, welche wir Fachkräfte gemeinsam entwickeln und nutzen können.
Mit der alternden Bevölkerung steigt der Bedarf an Altenpflege. Aber auch die Zahl älterer Menschen mit Behinderung, die sowohl pflegerische oder pflegefachliche, als auch heilpädagogische Unterstützung benötigen, wächst. Eine Rückkehr zur Verknüpfung würde es ermöglichen, diesem wachsenden Bedarf gerecht zu werden, indem integrative Betreuungsmodelle entwickelt werden, die flexible und bedarfsgerechte Leistungen bieten.
Bis zum großen Wurf einer umfangreichen Finanzierungsreform der Pflegeversicherung könnte die Verknüpfung der Eingliederungshilfe nach SGB IX mit der Pflegeversicherung nach SGB XI unserem Land helfen, die Herausforderungen unserer alternden und diverser werdenden Gesellschaft zu meistern.
Das wird insbesondere beim Blick auf die Praxis deutlich, denn es gibt viele KlientInnen, die sowohl von Behinderung als auch von altersbedingten Einschränkungen betroffen sind. Eine Synergie würde nicht nur die Effizienz und Qualität der Betreuung erhöhen, sondern auch dazu beitragen, eine inklusivere und menschlichere Pflege- und Betreuungslandschaft zu schaffen.
Aus meiner Sicht ein lohnenswerter Versuch auch wieder echte Erfolgserlebnisse durch bessere Inklusion und soziale Teilhabe im Bereich der Altenpflege erreichen zu können. Damit könnten nicht nur für Klienten, sondern auch für die Beschäftigten attraktivere Lebens- und Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Durch ein reformiertes System könnten die Klienten in den Mittelpunkt gestellt und sowohl personelle als auch finanzielle Ressourcen optimal genutzt werden.
Mein Dank gilt dem gesamten Team der Stiftung Sankt Johannes für die gemeinsame Zeit, die viel zu schnell vergangen ist. Die gelebte Inklusion und Teilhabe in so vielen unterschiedlichen Angeboten hat mich zutiefst beeindruckt – vor allem mit Blick auf die Tatsache, dass Integration, Inklusion und Teilhabe keine zeitliche Begrenzung, also auch kein „Ablaufdatum“ haben.
Schon heute freue ich mich auf ein Wiedersehen.
ANDREA WÜRTZ